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Begegnungen vor dem Adventsfenster

Es ist Abend geworden in unserem Dorf, der Zeiger der Kirchturmuhr zeigt kurz vor 18 Uhr an. Dick und warm eingepackt, strömen mehrere Generationen von Menschen aus ihren Straßen und Gassen um erwartungsvoll und freudig demselben Ziel entgegen zu gehen. Bei Wind und Wetter haben sie ihre heimelig warmen, adventlich geschmückten Wohnungen verlassen um dabei zu sein, wenn heute Abend wieder eines von vierundzwanzig liebevoll und festlich geschmückten Adventsfenster geöffnet wird.

Seit einigen Jahren ist es in unserer Gemeinde zur schönen Gewohnheit geworden, dass sich im November vierundzwanzig Familien oder auch alleinstehende Personen melden können, die Freude, Zeit und Fantasie haben ein Fenster ihres Hauses ganz individuell nach dem eigenen Geschmack weihnachtlich zu gestalten. So entsteht im Dorf verteilt nach und nach ein großer, bunter Adventskalender. Jeder Teilnehmer trägt mit seinem Weihnachtsschmuck und seiner Darbietung einen wertvollen Beitrag zum Ganzen bei. Das Datum seines Fensters darf jeder aus den noch freien Terminen aussuchen. Manche Familien bevorzugen es, gleich vorne unter den ersten zehn Teilnehmern dabei zu sein um danach unbeschwert die restlichen Beiträge genießen zu können. Andere machen zum Beispiel den Nikolaus- oder Barbaratag zum Anlass ihrer Fenstergestaltung. Weitere Dorfbewohner wollen ihr Adventsgeheimnis erst kurz vor dem Heiligen Abend lüften.

Jeder Abend, bis hin zum vierundzwanzigsten Dezember wird nun von den Gemeindemitgliedern mit Freude und Spannung erwartet. Kein Weg ist zu weit um sich mit lieben Bekannten unterwegs, oder vor dem noch geheimnisvoll zugehängten Adventsfenster zu treffen. Oft entwickelt sich ein lang ersehntes, wertvolles Gespräch zwischen Menschen, die sich lange nicht gesehen haben. Man tauscht adventliche Gedanken aus, unterhält sich angeregt über verschiedene Gutslerezepte oder die noch fehlenden Weihnachtsgeschenke. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ist unter den Menschen zu spüren. Niemand fühlt sich in dieser gemeinsamen halben Stunde alleine, ein jeder gehört dazu und spürt genauso wie seine Mitmenschen eine große Vorfreude im Herzen auf die baldige Ankunft von Jesus im Stalle zu Bethlehem.

Wenn sich dann pünktlich um 18 Uhr vorsichtig die Jalousie oder der Vorhang des heutigen Fensters zur Seite oder nach oben schiebt und den Blick auf das weihnachtliche Motiv hinter der Scheibe freigibt ist die Freude und Begeisterung unter den Zuschauern groß. So mancher zieht schnell seine wärmenden Handschuhe aus, damit der Beifall für die Hausbewohner laut hörbar wird. Zusätzlich zum geschmückten Fenster gibt es noch einen adventlichen Beitrag, der von Haus zu Haus verschieden ausfällt. Meistens wird noch ein gemeinsames Weihnachtslied gesungen, oder eine spannende Geschichte vorgelesen. Manche Familie verteilt noch mit Freude einen Teil ihrer frisch gebackenen Weihnachtsgutsle. Auch gibt es in einigen Häusern immer wieder die Einladung zu einer Tasse heißem Punsch, der in der Garage oder im Vorgarten des jeweiligen Veranstalters ausgeschenkt wird.

Das allerwichtigste aber an unserem dörflichen Adventskalender sind die menschlichen Begegnungen untereinander. Die gemeinsame Vorfreude auf das kommende Weihnachtsfest. Und für viele unserer Mitmenschen erfüllt sich an so einem stimmungsvollen Abend ein ganz bescheidener Weihnachtswunsch. Sie empfangen einen warmen Händedruck, eine liebevolle Umarmung oder ein freundliches, verständnisvolles Lächeln. Frohen Herzens machen sie sich auf ihren Weg nach Hause.

Gudrun Schultheiss (aus dem Buch “”der Kartoffelplattenspieler )

 

 

Link zu anderen Adventsfenstern: www.lebendiger-adventskalender.de/

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